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Abgrenzen lernen: bei mir „bleiben“

Abgrenzen lernen: bei dir selbst „bleiben“

Im Artikel „Abgrenzung – bei dir selbst sein“ hast du die Selbsterforschungsreise begonnen, wie du dich abgrenzen lernen kannst und wie du in Kontakt mit dir selbst kommst.

Du hast erfahren, dass es, um dich abgrenzen zu lernen, wichtig ist, dich selbst zu spüren, dich gut kennenzulernen und in Kontakt mit deinen Bedürfnissen zu sein.
Lass uns nun im zweiten Teil weiter das abgrenzen Lernen erforschen.

 

Was bedeutet „bei mir selbst sein“?      

Was meinst du, wenn du sagst, du möchtest dich abgrenzen lernen und „bei mir selbst bleiben können“?
Wie spürst du dieses „bei mir sein“, dieses „Selbst“, zu dem du zurückkehren möchtest?
Dein Selbst ist Vieles, vor allem ist es aber in diesem Leben auch in deinem Körper zuhause.
Dein Körper ist das Zuhause deines Selbst.

Das bedeutet also auch: Bist du nicht gut bei dir selbst, bist du nicht gut in deinem Körper zuhause. – Bitte erschrecke dich nicht, das ist energetisch gesprochen!

Wenn du „ irgendwie neben dir stehst“, bist du energetisch nicht zentriert, nicht in dir zuhause, nicht in deinem Körper, sondern du bist mit deiner Wahrnehmung im Außen, neben dir, bei anderen.

Wenn du dir dein Körper-Zuhause vertrauter machst, kannst du natürliche Grenzen bilden. Denn soviel verrate ich dir schon: Dein Körper ist deine physische Begrenzung.


Abgrenzen lernen erforschen

Für natürliche Grenzen brauchst du dein „du selbst sein-Gefühl“:
Wie spürt sich dieses „bei dir sein“ für dich an?

Vielleicht ist es so ähnlich: Ich spüre meine Füße, meinen Atem, mein Herz, meinen ganzen Körper, mein Innenleben, merke meine Gedanken, fühle meine Gefühle, spüre mein Selbst in meinem Körper und die Ausdehnung darüber hinaus. Alles gleichzeitig (!!), ohne es zerteilt oder verschmolzen wahrzunehmen.

Abgrenzung lernen kann auch bedeuten:
Ich habe meine Wahrnehmung ganz bei mir selbst UND kann dennoch auch das Außen, mein Umfeld wahrnehmen. Ich kann bemerken, dass ich durch die Umgebung automatisch beeinflusst bin, ohne jedoch dadurch den Kontakt zu mir selbst zu verlieren.

Das ist ein sehr gegenwärtiger Prozess. Umfassendes Wahrnehmen kann nur im augenblicklichen Jetzt sein und sich jede Sekunde leicht oder stärker wandeln.
Du siehst schon, dass abgrenzen lernen und „bei mir selbst sein“ kein Zustand, sondern ein beweglicher Prozess ist.

 

Bei dir selbst sein erforschen

Bei dir selbst sein… das kann bedeuten in Kontakt mit deinem Innenleben, deinem inneren Geschehen zu sein:
Gefühle spüren, Körperempfindungen bemerken, Gedanken erkennen, das Höhere Selbst erfühlen, dich erleben, wahrnehmen, wo du anfängst, aufhörst, du zerfließt nicht…

All das gleichzeitig wahrnehmen, ohne dich in einem davon aufzulösen, oder etwas nicht wahrhaben zu wollen.
Das ist Präsenz, Achtsamkeit, sich abgegrenzt spüren, in Kontakt sein.

„Bei mir sein“ muss nicht immer ausschließlich angenehm sein, ich kann auch Unangenehmes spüren. Aber meine Aufmerksamkeit ist bei mir und hinter der vielleicht gerade nicht angenehmen Empfindung ist doch das beständige Zuhause-Gefühl.

„Bei mir selbst sein“ ist kein Zustand, denn ein winziger Gedanke kann schon die Aufmerksamkeit verlagern und Energie folgt der Aufmerksamkeit. Bleibst du an einem Gedanken hängen, und es fällt dir auf, kannst du bemerken, dass, wenn du vermehrt denkst, du dafür manch anderes in dir wie stillgelegt hast: Zum Beispiel den Zugang zu einem Gefühl oder manchen Körperempfindungen.

WENN es dir überhaupt auffällt, dann fühlt sich das eigentlich an, wie „nicht ganz da sein“ oder „sehr in Gedanken“.
Das ist deshalb so, weil die Wahrnehmung des umfassenden und tiefen Kontakts, der Lebendigkeit des Körpers und die augenblickliche, bewusste Erfahrung fehlt.
„Bei mir selbst sein“ ist also nichts Denkendes, es ist etwas Seiendes.
Ein Prozess, bei dem in Verbundenheit mit mir selbst auch gedacht werden darf.
Ein Gefühl von mit dir sein, in Kontakt mit dir, in Beziehung mit dir. Meine Energie ist bei mir, meiner Selbst.


Abgrenzen lernen ist kein Kampf

Es geht beim abgrenzen Lernen auch nicht darum, stets das vollkommene bei-dir-selbst-sein-Gefühl zu haben, sondern es geht um ein bewusstes, beständiges Ausgleichen und Fließen, hin zur Lebendigkeit.
Ein natürlicher Fluss, denn dieses Bei-Mir-Selbst-Sein-Gefühl ist eine sehr lebendige, weite, weiche und eher heitere Wahrnehmung im gegenwärtigen Augenblick.
Die große Geborgenheit kommt auch durch das tiefe Wissen, eingebettet in und verbunden mit Größerem zu sein.

Hat man das bei-sich-selbst-sein für sich erst mal entdeckt und kennengelernt, ist es wie ein geborgenes, wohliges in sich selbst Zuhause-sein.

 

Abgegrenzt „bei mir selbst sein“

Für verschiede Menschen bedeutet „bei mir selbst sein“:

  • Meinen Körper gut spüren, nicht kopflastig sein, im Moment sein
  • Mein Ich (Gefühle, Biographie, Erwartungen…) im großen Raum des Selbst wahrzunehmen
  • Sicherheit, Lebendigkeit – empfangen und weitergeben
  • Meine Bedürfnisse wahrnehmen, Frieden, Zuhause sein, ganz privat sein, Wohlbefinden, Freude bei dem, was ich tue
  • Entspannt, sanft, Liebe, Weiblichkeit
  • Mir selbst eine Heimat, ein Zuhause sein
  • Mich frei fühlen, Vertrauen in die Welt haben
  • Mit meiner inneren Quelle verbunden sein ohne auf das im Außen reagieren zu müssen
  • Ruhe im Innen und Außen und gleichzeitig eine innere Kraft wahrnehmen
  • Innerlich stabil sein, unabhängig von dem, was in meinem Umfeld geschieht
  • Im Prozess der Präsenz sein
  • Das Zuhause in mir spüren. Ich bin im Haus, abgegrenzt und offen
  • Wurzeln nach unten, Freiheit nach oben/den Seiten; Erlaubnis, ganz ich zu sein
  • Ich bin nicht allein, Verbundenheit spüren – mein Selbst ist da.

The essence […] is to be present as a living being“ (Gendlin 1990: The primacy of human precence).

Um als lebendiges Wesen „ganz da“ und anwesend zu sein, ist es notwendig ein „Selbst“ zu spüren, das da sein kann.

Dieses Selbstgefühl, bei mir sein, mit mir sein, in mir sein, um mich sein, Selbst sein ist die tiefe Verankerung, Quelle, Wurzel, offene Weite…


Bei mir selbst BLEIBEN

Das Selbstgefühl „bei sich selbst sein“ haben wir ja nun etwas erforscht.
Im Gegensatz dazu erzeugt „ich will bei mir selbst bleiben“ Druck. Spürst du den Unterschied?

In der Not, die Menschen fühlen, wenn sie Angst haben „sich zu verlieren“; das Außen stärker wahrnehmen, als sich selbst, ihren Selbstraum noch nicht kennen, überflutet sind von Reizen, ist es verständlich, dass sie, sobald sie einmal das bei-sich-sein Gefühl wahrgenommen haben, es behalten möchten.

Sie spüren, das tut ihnen wohl und dennoch passiert es im Kontakt mit der Umwelt, dass sie wie aus sich selbst, aus diesem Gefühl heraus kippen und energetisch wieder außenorientiert sind.

Daher ist mir auf der Entdeckungsreise des bei-sich-selbst-seins immer wieder der Wunsch vieler KlientInnen, wie sie denn bei sich selbst bleiben können, begegnet.

Der Wunsch nach Abgrenzung, in der Hoffnung, dann das bei-mir-sein-Gefühl halten zu können, ist groß.

Auch wenn ich seit Jahren mit Techniken und Übungen arbeite, die Menschen unterstützen, das „bei-sich-selbst-sein“ wahrzunehmen und zu kultivieren,
zeige ich immer rasch, dass ganz natürliche, durchlässige, weite, schützende, bewegliche Grenzen entstehen, sobald der Selbstraum entwickelt wird. Dieser Kontakt, Bezug, diese Beziehung zu sich selbst ist die Quelle, die es zu erforschen gilt.

Dabei ging es nie um das bei mir bleiben, obwohl es sprachlich vielleicht so ausgedrückt wird.
Es ist hilfreich, das bleiben nicht sprachlich zu übernehmen, sondern den Fokus auf das sein zu richten.
Bleiben ist tatsächlich verharren. Sein, spüren, empfinden sind ein Prozess.

 

Abgrenzung als lebendiger Prozess

Wie ich in der Erforschung bemerkt habe, ist das „bei-mir-selbst-sein“ ein Sein im augenblicklichen Moment.
Das Zuhause-Gefühl ist etwas Stabiles, Sicheres, aber dennoch, alles, was es umfasst ist etwas Dynamisches.

Es kann kein starrer Zustand sein, denn, auch wenn es eine gewisse Konstante beherbergt, schwingt es stets in verschiedenen Ebenen, Richtungen, Ausprägungen. Es flirrt, vibriert, ist lebendig, und daher auch stets ein klein bisschen anders als im Augenblick davor.

Versuche ich etwas zu halten, was sich natürlicherweise ständig verändert, ist es, als würde ich eine Bewegung einfrieren wollen. Das ist anstrengend!
Zum Beispiel wie wenn bei einem nur schwach aufgeblasenen Luftballon, dem man an einem Ende die Luft abdrückt, eine „Beule“ an einer anderen Stelle herauskommt. Versuche ich nun da wieder die Beule zu fassen, zu halten, kommt sie an einer anderen Stelle wieder, ich bekomme es einfach nicht zu fassen. Das ist anstrengend und sehr frustrierend. So lässt sich nicht bei sich selbst sein und abgrenzen lernen.

Bei-mir-selbst-sein ist lebendig und fließend. Es ist also vergebene Mühe und vergeudete Energie, zu versuchen, bei sich zu „bleiben“.

Der Versuch, etwas, das von Natur aus in ständiger Bewegung ist, in einer bestimmten Form zu halten, zum Bleiben zu überreden, ist fehlgeleitete Energie und kann nicht klappen.


Deine Beziehung zu dir selbst

Abschließend möchte ich dich einladen, immer wieder in deine Beziehung zu dir selbst zu investieren. Das verbessert schließlich auch all deine Beziehungen zu anderen Menschen. Denn abgrenzen heißt ja nicht abschotten oder ausgrenzen! (Lies sonst nochmal in diesem Artikel dazu nach.)

Nährender Kontakt zwischen Menschen entsteht, wenn beide Personen jeweils gut in Kontakt mit sich selbst sind. Sonst wird es rasch kompliziert, wenn sich eine oder beide beteiligte Personen energetisch „auflösen“, nicht mehr authentisch bei sich, sondern in der Energie der/des anderen sind und Verschmelzungen entstehen. Für Verschmelzungen gibt es eigentlich nur zwei gesunde Prozesse: die Zeit als Säugling, solange noch kein „Selbst“ entwickelt ist. Und bei der Vereinigung in der erwachsenen Sexualität.

Bist du mit dir selbst nicht in Kontakt, ist es schwierig bei dir selbst zu „bleiben“, wenn du dann in Kontakt mit anderen treten möchtest. Möchtest du Kontakt vertiefen und immer wieder Kontakt aufnehmen, entsteht Beziehung.
Beziehung ist ein aktives Gestalten: Du beziehst etwas und setzt etwas in Bezug.

Durch eine nährende Beziehung zu dir selbst, spürst du deine natürlichen Grenzen.
So kannst du in Verbindung mit der Welt treten, ohne dich selbst zu verlieren. Das ist Abgrenzung.

Wenn du genau weißt, wo du „aufhörst“, und wo die andere Person „beginnt“, hast du keine Angst mehr, dich selbst zu verlieren, wenn du in Kontakt mit anderen gehst.

Weil du dich selbst spürst, bei dir bist UND in Verbindung gehen kannst.
Dein Selbstgefühl bleibt bestehen und die Verbundenheit zu Allem ist spürbar.



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